Psychotherapeutische Praxis Dr. Steinbüchel
Psychotherapeutische Praxis Dr. Steinbüchel

Verhaltenstherapie und Zen

Die Verhaltenstherapie ist eine nach westlichen Normen und Wertvorstellungen orientierte Psychotherapie, die aus der psychologischen Forschung heraus entstanden ist. Ausgehend vom Behaviorismus führte die Entdeckung der Lerngesetze zu ersten therapeutischen Ansätzen. Die „Kognitive Wende“ in der Psychologie der 80er Jahre ermöglichte, dass die Verhaltenstherapie sich auch dem Verhalten auf gedanklicher Ebene zuwenden konnte. 

Die Praxis des Zen entspringt einer älteren, spirituellen Forschungstradition. Ihr Ursprung wird in einer der Belehrungen durch den Shakyamuni Buddha (500v.Chr.) gesehen und wurde von da an tradiert und insbesondere in China und auch später Japan fortgeführt.

Was kann die Verhaltenstherapie von der Zen-Philosophie oder Einsichtsmeditation lernen?

Beide sind an einer Überwindung des Leidens interessiert und beide sind dabei gegenwartsbezogen, kritisch und rein empirisch. Die zugrundeliegenden Menschenbildannahmen sind jedoch unterschiedlich. Die Verhaltenstherapie versucht psychische Störungen aufzulösen, d.h. die Probleme des „Ichs“, die es daran hindern, seinen persönlichen Zielen näher zu kommen oder neue Ressourcen für sich zu erschließen, zu lösen: Lebenszufriedenheit entsteht  durch Erreichung wichtiger Ziele und Gewinnung oder Erhaltung von Ressourcen. Das ICH lernt Selbstkontrolle und kann das Kurzfristige für das Langfristige opfern. Die Menschenbildannahme lautet: Gedanken und Gefühle eines ICHs prägen das Sein. Ungünstige Überzeugungen bilden sich aus Erfahrungen bzw. dem eigenen Verhalten, aber lassen sich therapeutisch über neue Erfahrungen verändern. Gedanken und Verhalten beeinflussen die Gefühlswelt und umgekehrt. Gegenüber den individuellen Werten und Zielen eines Menschen verhält sich die Verhaltenstherapie neutral. 

Im Zuge der "Dritten Welle" innerhalb der Fortentwicklung der Verhaltenstherapie wurden Erkenntnisse aus dem Zen integriert. Hierdurch konnte auch eine neue Menschenbildannahme innerhalb des therapeutischen Settings entstehen: Das Menschenbild in Folge von Achtsamkeit ist weniger auf psychologische, sprachliche Kategorien eines denkenden ICHs eingeschränkt oder reduzierbar. Hier besteht der Mensch nicht nur aus seinen Gedanken und Gefühlen, sondern im Gegenteil, diese sind „nur auftauchende Gedanken und Gefühle“ des eigenen Körpers. Hier steht eine nondualistische Wesensnatur des Menschen im Vordergrund.

Aus der Perspektive eines Beobachters (der sich eher mit dem Kontext und seinem Körper als nur mit seinen Gedanken identifiziert) werden Gedanken und Identifikationsprozesse als solche besser erkennbar und somit relativierbar.    

„Kognitive Umstrukturierung“ (eine Methode der klassischen Verhaltenstherapie) bestand darin, aus ungünstigen Bewertungen, zielführendere Gedanken zu entwickeln.

Mit dem Wissen der "dritten Welle" kann man nun das Verständnis entwickeln, dass positive wie negative Bewertungen am Ende doch beides nur Gedanken sind.

Man kann einsehen, dass Einfälle nicht verhindert werden können, und man kann lernen, ihnen weniger zu glauben und sie nicht mehr weiterzudenken. 

Der Ausgangspunkt des Leidens beginnt häufig bei den eigenen Wünschen und mangelnder Bereitschaft, auch negative Zustände anzunehmen. Die Diskrepanz zwischen dem, wie es unserer Meinung nach sein sollte und dem, wie es dann ist, erzeugt das Leid. 

Könnte man sich von diesen automatischen "Es anders haben wollen" lösen, blieben einem einiges an Stress und Sorgen erspart. Der Blick würde frei für die Schönheit der Gegenwart und das tatsächliche gegenwärtige Leben, welches dann in jedem Atemzug liegt. 

Um dies aber erleben zu können,  müsste man sein Befinden so annehmen, wie es gerade jetzt ist. Dies zu üben, ist Teil der Zenpraxis. In der Weiterentwicklung der Verhaltenstherapie etablieren sich hierzu Fachbegriffe wie Achtsamkeit und Akzeptanz. 

Aus der Perspektive des Zen ist das ICH nicht alles, sondern nur eine hilfreiche angeborene Problemösemaschine, die leider ungefragt immer etwas übermotiviert ist. Wenn die überengagierte Problemlösemaschine sich immer auf die gleichen unlösbaren Probleme Konzentriert, kann das leicht zu einer aufrechterhaltenden Bedingung für Hilflosigkeit und Depression werden.  

Die Annahme, dass die Identifikation mit der Problemlösemaschine nicht unser ganzes Wesen umfasst, kann  die Emotionsregulation bzw. ein effektives Selbstmanagement in Krisen erleichtern. 

Durch das Üben von Achtsamkeit bzw. Zen gelingt es zunehmend, die Gegenwart wahrzunehmen. Man kann sich besser bemühen, die eigenen ängslichen Fantasieen als Projektionen der Zukunft zu erkennen und zu relativieren.

Die folgenden Zengeschichten verdeutlichen, wie sich Krisensituationen oder gedachte Katastrophen ändern, wenn man nur genug in der Gegenwart bleibt. 

Hier als Beispiel drei Zengeschichten aus "101 Zen-Geschichten" (Patmosverlag)

Schmutzige Straße

Tanzan und Ekido wanderten einmal eine schmutzige Straße entlang. Zudem fiel auch noch heftiger Regen. Als sie an eine Wegbiegung kamen trafen sie ein hübsches Mädchen in einem Seidenkimono, welches die Kreuzung überqueren wollte, aber nicht konnte. „Komm her, Mädchen“, sagte Tanzan sogleich. Er nahm sie auf die Arme und trug sie über den Morast der Straße. Ekido sprach kein Wort, bis sie des nachts einen Tempel erreichten, in dem sie Rast machten. Da konnte er nicht mehr länger an sich halten. „Wir Mönche dürfen Frauen nicht in die Nähe kommen“, sagte er zu Tanzan, „vor allem nicht den jungen und hübschen. Es ist gefährlich. Warum tatest Du das?“ 

Parabel 

Buddha erzählte in einem Sutra eine Parabel: 

Ein Mann, der über eine Ebene reiste, stieß auf einen Tiger. Er floh, den Tiger hinter sich. Als er an einen Abgrund kam, suchte er Halt an der Wurzel eines wilden Weinstocks und schwang sich über die Kante. Der Tiger beschnupperte ihn von oben. Zitternd schaute der Mann hinab, wo weit unten ein anderer Tiger darauf wartete, ihn zu fressen. Nur der Wein hielt ihn. 

Zwei Mäuse, eine weiße und eine schwarze, machten sich daran, nach und nach die Weinwurzel durchzubeißen. Der Mann sah eine saftige Erdbeere neben sich. Während er sich mit der einen Hand am Wein festhielt, pflückte er mit der anderen die Erdbeere. Wie süß sie schmeckte! 

Wahres Glück

Ein reicher Mann bat Sengai, etwas für das Glück seiner Familie aufzuschreiben, sodass es von Generation zu Generation im Gedächtnis behalten würde. 

Sengai verlangte einen großen Bogen Papier und schrieb: „Vater stirbt, Sohn stirbt, Enkel stirbt.“ 

Der reiche Mann wurde ärgerlich. „Ich bat Euch, etwas für das Glück meiner Familie zu schreiben! Warum macht Ihr solch einen Scherz?“ 

„Ich hatte nicht die Absicht, einen Scherz zu machen“, erklärte Sengai. „Wenn dein Sohn vor dir sterben würde, so würde dich das sehr bekümmern. Wenn dein Enkel vor deinem Sohn sterben würde, so würde dies euch beiden das Herz brechen. Wenn deine Familie Generation auf Generation in der Reihenfolge dahin scheidet, die ich genannt habe, so ist das der natürliche Ablauf des Lebens. Das nenne ich wahres Glück.“

 

 

Wer bis hierher gelesen hat, hat vielleicht auch Interesse an folgenden LInk: www.klassische-homöopathie-rostock.de

 dort gibt es einen Ansatz, der vielleicht auch von der somatischen Seite her Impulse zur Selbstheilung geben kann.

 

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